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Festrede des Vizepräsidenten
des AACC GI Gerhard Weis bei der
Eröffnung der 17. Kulturwoche der Kärntner Slowenen in Gurk
am 15. Mai 2009

Minderheitenrechte und der Schutz der Minderheiten sind Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft.
Festredner Gerhard Weis aus Wien betonte die Wichtigkeit von Minderheitenrechten in parlamentarischem, gesellschaftspolitischem und volksgruppenpolitischem Leben. Er begrüßte den Beginn des Dialoges zwischen den Volksgruppenvertretern und Vertretern der Heimatverbände. Weiters hob er die (historische) Wahrheitssuche, die Meinungsbildung, das Unterscheiden von Wahrheit, Halbwahrheit und Lüge, und der Verantwortung der Medienleute in unserer Gesellschaft hervor. Das Alpe Adria Zentrum, welchem auch er angehört, stiftet Nutzen für das Land Kärnten und damit auch für die Volksgruppe. Als vorbildlich und wichtig bezeichnete er die Minderheitensendungen des ORF.

„Dober veèer“ und „Hvala za vaše povabilo” – mehr vermag ich in dieser Sprache freilich nicht zu sagen, slowenisch habe ich leider nicht gelernt. Wie die wohl meisten Menschen dieser Welt bin ich einsprachig aufgewachsen, habe in der Schule englisch und später auch noch andere sogenannte Weltsprachen (mühsam genug ) gelernt – aber es ist halt doch etwas ganz anderes, wenn man von Kindesbeinen an zweisprachig heranwächst: da erschließt sich ein zusätzlicher Kosmos und man kann zwei Leben in zwei Welten leben.

Nicht nur hier in Kärnten sondern wahrscheinlich in allen Ländern dieser Welt sind, wo es sie gibt, zweisprachig gebildete Menschen jeweils in der Minderheit – die freilich genau genommen ein „Mehr“ beinhaltet, einen kulturellen Reichtum, Potential für Lebensentfaltung, ein unschätzbares Kapital. Und dass wir für dieses Phänomen nur den Begriff „Minderheit“ – „ Minority“ (was semantisch ein „Weniger“ bedeutet) haben, ist unbefriedigend und eigentlich paradox. Die Kärntner Slowenen haben nach meiner Überzeugung jedenfalls Grund auf ihre Zweisprachigkeit stolz zu sein, sie haben der Mehrheit etwas voraus !

Zahlen und Zahlenverhältnisse spielen aber nun einmal in dieser Welt eine anscheinend existenzbegründende Rolle. Zwar wird seit jeher so gut wie alles was es da gibt gezählt, gemessen und gewogen, als ob man nur so die Welt erfassen und das Leben darstellen könnte – seit dem industriellen Zeitalter hat sich aber nun eine ganze Wissenschaft aus diesem Zählen und Messen entwickelt; die Statistik. Nicht dass Statistik eo ipso ein Übel wäre: richtig angewandt kann sie unter anderem Auskunft geben über Entwicklungen und Tendenzen, sie kann auch größere Sicherheit für Prognosen und daraus abgeleitete Handlungsoptionen geben. Man denke nur an die Statistiken zum Thema Klimawandel oder die Statistiken über bedrohte Tier- und Pflanzengattungen. (Dazu eine Randbemerkung: es ist durchaus beeindruckend, wie viel Sorge und Aufmerksamkeit Menschen weltweit auf vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenbestände wenden und man muss sich fragen warum nicht mindestens ebensoviel Sorge und Mühe auf Menschen, die in ihrer Existenz bedroht sind, verwendet wird. Aber es werden in den Industrieländern ja auch Unsummen für Haustierfutter ausgegeben, jedenfalls unverhältnismäßig mehr als für die Bekämpfung des Hungers von Menschen in den Armutsgebieten dieser Welt. Wird also der Humanismus durch einen „Animalismus“ abgelöst ? Soweit die Randbemerkung).

Aber zurück zum Thema Statistik: da kommt es sehr darauf an, wie man es angeht und welche Schlüsse man daraus zieht. Erhebliche Fehler in der Methodik, Fehlschlüsse aber auch vorsätzliche Missinterpretationen sind leider ziemlich häufig.

Nehmen wir zum Beispiel die Minderheitenfeststellung und ich meine damit jetzt nicht die Feststellung von Volksgruppen- Minderheiten sondern die Wahl- und Abstimmungsvorgänge in Staat und Gesellschaft, die ja das Wesen der Demokratie ausmachen. Jede demokratische Wahl in eine staatliche oder gesellschaftliche Vertretungskörperschaft ist ja ihrer Natur nach eine Mehrheiten- respektive Minderheitenfeststellung. Und die Mehrheit erhält das Recht und die Vollmacht, ihre Vorstellungen umzusetzen, ihren Weg zu gehen – jedenfalls bis zur nächsten Wahl. Lediglich darüber wird ja abgestimmt.

In der Praxis glauben freilich Wahlsieger nicht selten, dass mit einer gewonnenen Wahl auch über Wahrheit entschieden worden ist – Irrtum ausgeschlossen, der gehört dann den Wahlverlierern. Die Frage „was ist wahr – was ist Wahrheit“ lässt sich aber nicht durch demokratische Abstimmung entscheiden. Gegenüber politischen Parteien und gesellschaftlichen Kräften, die mit dem Anspruch auftreten, die ganze Wahrheit für sich allein gepachtet zu haben, ist stets höchste Vorsicht am Platz. Zu oft schon haben Parteien, die „immer recht hatten“ Unglück über die Welt gebracht – zu oft schon wurde geradezu lustvoll „mit den Massen geirrt“ – und stets mit fatalem Ausgang.

Funktionierende Demokratien wissen um dieses Verhängnis und verfügen daher über Schutzmechanismen: „Was, wenn doch nicht die Mehrheit recht gehabt hat, - was, wenn sich herausstellt, dass die Minderheit die bessere Einsicht hat ?“ - Diese Schutzmechanismen sind in den parlamentarischen Minderheitenrechten kodifiziert, sie sollen vor Macht-Willkür der herrschenden Mehrheiten schützen und jedem Absolutsheits-Anspruch vorbeugen. Minderheitenrechte und Minderheitenschutz sind somit ein unverzichtbares und nicht wegzudenkendes Element der Demokratie – und das gilt nicht nur für die politischen Vertretungskörperschaften sondern für den gesamten gesellschaftlichen Bereich. Der Zustand einer Demokratie lässt sich nicht zuletzt auch daran ermessen, wie mit den diversen Minderheiten umgegangen wird.

Daraus leitet sich in weiterer Folge dann auch die Notwendigkeit zu einer spezifischen Konflikt- und Streitkultur ab, den sogenannten „demokratischen Umgangsformen“. Klarerweise gibt es wo „wahlgekämpft“ wird mitunter auch recht heftige Wortgefechte und da kann es schon auch einmal hoch- her- gehen. Es darf und soll gestritten werden – aber stets nur mit nachvollziehbaren und auf Fakten beruhenden Argumenten. Unterstellungen, Verleumdungen, zynische Untergriffe, die den Widerpart verletzen und populistische Schlammschlachten sind der Tod jeder Demokratie.

Zur Einstimmung und Vorbereitung auf diesen Abend habe ich das Buch „Kärnten neu denken“ von Josef Feldner und Marjan Sturm gelesen. Dieses Buch hat mich aus mehreren Gründen sehr beeindruckt. Zunächst einmal: hier wird in geradezu vorbildlicher Weise ein Dialog geführt, wie er demokratischer nicht sein kann. Im formalen schenken die Streitparteien einander nichts – aber sie tun es ausschließlich mit Argumenten die der Adressat aufnimmt und auf die er eingehen kann, ohne deswegen den eigenen Standpunkt zu verraten. Dass so ein Dialog in der besonderen Situation, in der sich dieses Land nun schon so lange befindet, möglich war und ist, ist ein höchst erfreuliches Zeichen und sollte Mut machen. Es ist zu hoffen, dass dieser Dialog weitergeht und zu einem guten Ziel kommt.

Ich kann mir auch vorstellen dass es für die Dialogpartner nicht leicht ist, einen Dialog unter solchen Voraussetzungen zu führen, dass auch persönlicher Mut und viel Geduld dazu gehört - wenn allein schon das Anhören von Standpunkten und Argumenten des Anderen von „Hardlinern“ als Nachgiebigkeit missdeutet werden kann und ja mitunter auch wird. Aber gibt es einen besseren Weg, dem nun schon so lange schwärenden Konflikt beizukommen, als diesen Dialog zu führen ?

Aus der argumentativen Auseinandersetzung in diesem Dialog habe ich aber auch ganz persönlich für mich neue und zum Teil auch überraschende Einsichten gewonnen, die mich nun die ganze Sache differenzierter sehen lassen. Für einen Wiener wie mich schien ja der ganze Ortstafelkonflikt schon seit geraumer Zeit wie der berühmte „Streit um des Kaisers Bart“ – deutsch- Kärntner Sturheit gegen slowenisch- Kärntner Eigensinn. Und das wegen ein paar Blechschilder, von denen man ohnehin nur dann Notiz nimmt, wenn man einmal ortsfremd als Reisender wissen will, wo man gerade ist.

Nun habe ich begriffen, dass es da einerseits um die Selbstbehauptung der Kärntner Slowenen im öffentlichen Raum geht und andererseits um „Urängste“ der deutsch-Kärntner (wobei freilich auch die Kärntner Slowenen von „Urängsten“ nicht frei sein dürften). Ich muss gestehen, dass ich im Ortstafelkonflikt seit Anbeginn eher auf Seiten der Kärntner Slowenen war – eher instinktiv, weil Minderheiten eben die Schwächeren sind und man ihnen daher geben soll, worauf sie Anspruch haben, notabene wenn’s eh nichts kostet.

Dass aber mit der Zweisprachigkeit auf Ortstafeln vor allem die eigene Sprache manifestiert wird – diesen Aspekt des Konflikts habe ich zu wenig beachtet. Dass die eigene Sprache ein unverzichtbares konstitutives Merkmal einer Volksgruppe ist, leuchtet mir ein und ich verstehe, dass auf die eigene Sprache besonderer Wert gelegt wird und werden muss. Von Volkszählung zu Volkszählung ist die Zahl jener, die sich als Kärntner Slowenen deklarieren kleiner geworden, weil offenkundig die Assimilierung voranschreitet. Dagegen ist, soweit die Betroffenen aus freiem Willen und ohne Druck handeln und das Kapital der Zweisprachigkeit freiwillig aufgeben, ohnehin kaum ein Kraut gewachsen – wohl aber sollte man jene Formen der Assimilierung, die unter Assimilierungsdruck zustande kommen, auf das entschiedenste bekämpfen. Angewandter Assimilierungsdruck aber ist es, wenn man die Sprache im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel auf Ortstafeln, nicht zulassen will.

Auf der anderen Seite die Ängste und „Urängste“. Man könnte es sich leicht machen und sagen „Angst ist immer ein schlechter Ratgeber“ – wäre da nicht die Erinnerung an historische Tatbestände, die zwar schon geraume Zeit zurückliegen, die aber tief ins Gedächtnis eingegraben sind. Zwar heißt es, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, dass aus der Geschichte darum nichts zu lernen ist – das gilt aber offenkundig nur für die positiven Erfahrungen, das erfahrene Übel wirkt hingegen länger fort und begründet Angst und Misstrauen.

Zwar haben wir auch in Wien in der Schule gelernt, dass das Land Kärnten damals, vor gut 90 Jahren, um seine Grenzen kämpfen musste und dass letztlich ein eindeutiges Bekenntnis der Kärntner Slowenen zum Land Kärnten für die heutigen Landesgrenzen entscheidend war – aber das ist lange her und seither ist viel passiert. Viel passiert ist aber neuerdings auch mit der europäischen Einigung, mit der Gründung der EU, die nun Grenzfragen in einem ganz anderen, neuen Licht erscheinen lässt. Ich kann nicht glauben, dass da Urängste noch lange Bestand haben können. Und es gibt ja auch tatsächlich schon sehr viel erlebbare „Normalität“: Bei meinen oftmaligen Besuchen im Jauntal habe ich kaum etwas von Spannungen gespürt, die Menschen der beiden Sprachgruppen hatten offenkundig miteinander keine Probleme, sie verhielten sich wie gute, befreundete Nachbarn und hatten aneinander nichts grundlegendes auszusetzen. Auch das ist Kärnten.

Eine Weile könnte es dessen ungeachtet schon noch dauern, bis da alles „aufgearbeitet“ und der Schutt der Vergangenheit weggeräumt ist. In diesem Prozess geht es vor allem einmal um Wahrheit, um historische Wahrheit, um genau zu sein. In seinem Essay „Das hilflose Europa“ schreibt der nicht nur von mir hochgeschätzte Kärntner Schriftsteller Robert Musil einen darauf passenden Absatz, den ich gerne zitieren möchte: „Die berühmte historische Distanz besteht darin, dass von hundert Tatsachen fünfundneunzig verloren gegangen sind, weshalb sich die verbliebenen (fünf) ordnen lassen, wie man will. Darin aber, dass man diese fünf ansieht wie eine Mode von vor zwanzig Jahren oder ein lebhaftes Gespräch zwischen Menschen, die man nicht hört, bekundet sich die Objektivität. Man erschrickt über die Groteskheit menschlicher Handlungen, sobald sie nur ein wenig ausgetrocknet sind, und sucht sie aus allen Umständen zu erklären, die man nicht selbst ist, das ist aus den historischen.“

Es geht bei der Wahrheitssuche also um das aufspüren und sammeln von Tatsachen, von Fakten. Und das ist fürwahr ein sehr schwieriges Unterfangen. Noch einmal Robert Musil, er schreibt im Vorwort zu seinem Essay: “Ich bin nicht nur überzeugt, dass das, was ich sage, falsch ist, sondern auch das, was man dagegen sagen wird. Trotzdem muss man anfangen davon zu reden; die Wahrheit liegt bei einem solchen Gegenstand nicht in der Mitte, sondern rundherum wie ein Sack, der mit jeder neuen Tatsache, die man hineinstopft, seine Form ändert, aber immer fester wird.“

Mir gefällt dieses Bild sehr gut. Es liegt in der Natur des Sackes, dass immer noch etwas Platz hat und dass man gegebenenfalls auch etwas herausnehmen kann, wenn es sich als Unzutreffend oder minder wichtig erweist. Und es geht um Fakten, um nachweisbare Tatsachen – nicht um Meinungen die man halt so hat und die man nicht begründen muss.

Von Manes Sperber stammt der Satz „Ein Gramm Fakten ist mehr wert als eine Tonne Meinung“ – ein Merksatz, ein Schlüsselsatz. Demgegenüber scheint aber Meinungsmache und das „bloss etwas meinen“ doch ziemlich gegenwärtig in unserer „Seitenblicke -Gesellschaft“. Man weiß zwar nichts Genaues, hat etwas aufgeschnappt, und meint nun...Und keiner der etwas so daher-meint muss auch sagen wie er dazu kommt, auf welchen Fakten seine Meinung beruht – er wird’s zumeist auch gar nicht wissen. Das ist nun der Nährboden, auf dem Vorurteile wachsen und gedeihen können, die Kehrseite des „Rechts auf Meinungsfreiheit“, das freilich nicht das Recht beinhaltet, Unsinn und Widersinn zu verbreiten sondern begründete persönliche Überzeugung meint, die jeder Mensch haben und vertreten können muss.

Wenn es um Wahrheit, um Fakten geht, dann ist eine kritische Grundhaltung notwendig. „Kritisch“ sein wird oft im allgemeinen Sprachgebrauch schlampig und falsch mit „ dagegen sein“ übersetzt und gleichgesetzt. Damit hat aber Kritik nichts zu tun. Im griechischen Wortsinn bedeutet kritisch sein „scheiden können“ – unterscheiden können. Unterscheiden können zwischen Lüge und Wahrheit, Sinn und Unsinn. Wichtig und Unwichtig – darauf kommt es an und das zu tun ist gar nicht so leicht wie es klingt.

Lügen werden uns ja nicht so sehr als das gerade Gegenteil der Wahrheit aufgetischt – oft sind es Weglassungen, Halbwahrheiten, Verdrehungen, oft auch nur Akzentverschiebungen, die eine Wahrheit verfälschen. Und die Unterscheidung zwischen Sinn und Unsinn, Wichtig und Unwichtig ist auch sehr oft nicht einfach – zu viel Informationsschrott wird täglich in Umlauf gebracht, insbesondere durch die elektronischen Medien.

Das Stichwort ist gefallen – ich möchte mich nun abschließend den Medien zuwenden, meinem eigentlichen Metier. 1959 habe ich mich für den Beruf des Journallisten entschieden – das ist immerhin schon 50 Jahre her. 35 Jahre habe ich im ORF in verschiedenen Funktionen zugebracht und wenn ich jetzt vom ORF rede, dann meine ich jenen ORF, den ich vor sieben Jahren in doch recht gutem Zustand verlassen habe – was jetzt daraus wird, wird sich erst zeigen. Aber ich habe die Hoffnung, dass es doch gut weitergehen könnte.

Der ORF war und ist ein Ergebnis der föderalistischen Grundstruktur dieses Staates. Österreich besteht nicht bloß aus neuen Bundesländern sondern wird erst in diesen neun Regionen lebendig. Das hat viel damit zu tun, dass Heimat und Vertrautheit Nähe braucht – am vielzitierten „Platz vor der Haustür“, dort findet Heimat statt. Österreich ist – und auch das ist ein wertvolles Kapital – kulturell überaus ausdifferenziert. Nehmen sie zum Beispiel die Nachbarn Kärnten und Steiermark: die Steirer kochen, singen, wohnen anders als die Kärntner, sie tragen andere Trachten und wenn sie erst einmal in ihrer Mundart loslegen, dann hat man Mühe sie zu verstehen – im Verhältnis der anderen Bundesländer zueinander ist das grundsätzlich auch nicht anders.

Ein Rundfunk, der für die Menschen da sein will, muss daher alle in ihrer spezifischen Eigenart wahrnehmen und daraus ergibt sich die überaus kostenaufwendige und komplexe föderalistische Struktur des ORF mit gleich neun Landesstudios, die jeweils eigene Radio- und Fernsehprogramme produzieren. Das ist zwar sehr kostspielig, gleichzeitig entsteht daraus aber auch ein unschätzbarer Wettbewerbsvorteil für den ORF gegenüber den Mitbewerbern, die ja nur zentral produzieren und senden können. Dank seiner Landesstudios besitzt der ORF den „Platz vor der Haustür“ als „Platzhirsch“. Dass der ORF auch die Aufgabe hat, das Land zusammenzuhalten, vom Bodensee bis zum Neusiedlersee ein Österreichbewusstsein zu befördern, ist andererseits auch zu betonen – außer Post, Bundesbahn und ORF gibt es ja nur weniges was Österreich im täglichen Bewusstsein seiner Bürger zusammenbindet. Natürlich gibt es da auch die Bundespolitik, aber die wird ja in den Bundesländern traditionell ziemlich unterschiedlich wahrgenommen.

Die kulturelle Ausdifferenzierung, von der ich gesprochen habe, besteht aber nicht nur territorial sondern meint auch die Volks- und Sprachgruppen, die in diesen Regionen leben. Selbstverständlich haben auch diese Menschen ein Recht darauf, in ihrer eigenen Sprache angesprochen und in ihrer Eigenart wahrgenommen zu werden und der ORF steht in der Pflicht, das zu leisten.

Dieser Pflicht habe ich mich sehr gerne als Generalintendant des ORF gestellt – das war Ende der 90er Jahre und dabei habe ich Bernard Sadovnik kennengelernt, der sich kraftvoll für die Volksgruppe einsetzte und zielbewusst engagierte. Wir sind seither einander freundschaftlich verbunden, haben noch einige weitere Projekte entwickelt und durchgeführt (besonders gut in Erinnerung ist mir Sepp Forchers Film über das Jauntal und das Brauchtum der Kärntner Slowenen) – später dann hat mich Freund Bernard auch zur Mitarbeit im AACC eingeladen, dem Alpe-Adria-Zentrum für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wo es ebenfalls gelungen ist, einiges zu bewegen. Das Alpe-Adria-Zentrum ist, so wie ich es erlebt habe, aus der Absicht entstanden, Nutzen zu stiften: Nutzen für das Land und damit auch für die Volksgruppe. Das ist vortrefflich gelungen und es freut mich, dabei ein wenig mithelfen zu können. Im AACC habe ich mich dann auch mit Filip Warasch angefreundet und gemeinsam unternehmen wir immer wieder Ausflüge in Kärnten. Ich verfüge also schon auch über eigene Erfahrungen.

Aber zurück zu den Volksgruppen-Programmen im ORF. Natürlich sind auch die ziemlich kostspielig, Kosten-Nutzen-Rechnungen sind aber nicht statthaft, wenn es um Föderalismus und die betroffenen Menschen geht. Wäre dem so, dann dürfte es ja auch nicht gleich grosse Landesstudios in den neun Bundesländern geben, dann dürfte beispielsweise das Landesstudio Vorarlberg nur einen Bruchteil der Mittel bekommen, die dem Landesstudio Wien mit wesentlich mehr Hörern und Sehern zur Verfügung stehen. So aber sind alle gleich gross ausgestattet und das muss im Prinzip auch für die Volksgruppenprogramme gelten, die für die Burgenland - Kroaten und die Kärntner Slowenen vom ORF hergestellt werden.

Zahlenspielereien mit Reichweiten, Hörer- und Seherzahlen sind da völlig irrelevant, denn es geht ja nicht um Quoten sondern um die Darstellung und Abbildung einer kulturellen Vielfalt, um Sprachen und Lebensformen, die es in unserem Land gibt und die seinen Reichtum ausmachen. Ich glaube auch dass die sogenannte Bundesstaats-Reform, die sich nun schon seit einigen Jahren die Reform des Föderalismus zum Ziel gesetzt hat, an den Grundstrukturen nicht viel ändern kann und wird weil dem die historisch gewachsenen Realitäten entgegenstehen.

Und ebenso wenig wie ich mir vorstellen kann, dass ganze Bundesländer untergehen, kann ich daran glauben, dass Sprach- und Volksgruppen noch kleiner werden als sie ohnehin schon sind und dann eines Tages in Bedeutungslosigkeit versinken. Das wäre eine nachhaltige und unverzeihliche Verarmung, die uns unsere Nachfahren und Erben nicht verzeihen.

Noch ein letzter Satz: Ich glaube an das Europa der Vaterländer, an das Europa der Regionen, an das Europa der kulturellen Vielfalt !

Foto: M. Štukelj

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